Heidiromantik

Nach der gewohnten Winterpause melden wir uns wieder mit Alpgeschichten, so frisch und knackig wie die Alpenkräuter, die nadisna in den Ziegenbäuchen verschwinden, oder die Chriesi, die von den Nanis den Berg hochgeschleppt werden und ratzfatz in den Kinderbäuchen verschwinden.

Wir könnten euch von Pech im Stall bei verschiedenen Ziegenbesitzenden während des Winters schreiben; von zu wenig Geissen, die infolgedessen zu uns auf die Alp kamen; von einem somit nur halbvollen Käsekessi und einer Hirtin, die aufgrund der schwindenden Aussicht auf viel Lohn schon nach wenigen Tagen wieder den Weg ins Tal einschlug. Oder wir können euch etwas Heidiromantik vermitteln, von glücklichen Kindern auf der Alp erzählen; wild, frei und dreckig – und nicht nur aus Werbezwecken, sondern weil dies tatsächlich das dominierende Gefühl dieses Alpfrühlings ist, beschränken wir uns darauf.

Gefühlt sömmern wir hier dieses Jahr mehr Kinder als Geissen: Toni, Matthias, Ajuna, Lorenz, Kuba. Milch geben sie keine. Arbeit schon. Annähernd kostendeckende Direktzahlungen vom Bund gibt’s dafür trotzdem nicht, aber das ist ein anderes 
Thema, und der 14. Juni ist ja schon vorbei. Somit müssen wir uns mit schönen Momenten und Erinnerungen begnügen, und davon gibt’s zuhauf: Die fassungslos staunenden Augen und das glückliche Jauchzen darüber, dass von schokoladebraunen Geissen tatsächlich Schoggimilch in den Schoppen gemolken werden kann! (Die kleinen Vorbereitungen dafür gehen an den jüngeren Kindern unbemerkt vorbei.) Die unzähligen, täglich mehr werdenenden Blumensträusse, die unseren Tisch verstopfen, sodass wir fast keinen Platz zum Essen haben. Kinder, die auf dem parkierten Aebi sitzen und «brrrrrrmmmm» machen. Kinder, die durch die kleine Hühnerklappe in den Hühnerstall kriechen und mit einem Rock voller Eier wieder hinaus kommen, die meisten ganz. Braungebrannte Kinder, die quietschend im eiskalten Bach baden. Stolze Kinder, wenn sie einen Kristall, einen Gämsschädel oder den Stosszahn eines Baby-Mammuts (der sich dann doch als sonnengebleichtes Holz herausstellt) finden. Kinder, die auf dem parkierten Aebi nach Zürich, Bern, Sizilien und sogar bis nach Amerika fahren. Die zwanzigmal pro Tag frisch angezogen werden müssen, weil sie stundenlang am Brunnen wässerlen. Beim Abwaschen wässerlen. Mit dem Schweineschlauch wässerlen. Auf dem parkierten Aebi wässerlen. Am Bach wässerlen. Mit der Milchkühlung wässe… - halt stopp!! Die im Stall Fussball spielen, in der Käserei Fussball spie… - halt stopp!, die in Hängematten schaukeln, die auf dem parkierten Aebi über alles drüber fahren – Lorenz! –, die immer mal wieder ein bisschen Geissen melken, die Hühner jagen, Katzen und Schweine streicheln und wie die Geissen durch die Bergweiden wandern und dabei die besten Alpenkräuter; Vergissmeinnicht, Kresse, Heidelbeerblüten, Rapunzel etc. herauspicken und verspeisen. Und die manchmal sogar mit dem fahrenden Aebi mitdürfen. Highlight.

Um glückliche Kinder herum sind wir auch glücklich. Und viel mehr gibt es zu diesem Sommeranfang eigentlich nicht zu sagen.


Glückliches Kind


Glückliche Ziegen und glückliches Kind zu Beginn eines schönen Hirtentages


Glückliche Mutter macht feinen Käse


Spuren glücklicher Kinder


Nur die Fackeln auf dem Heimweg vom Bräteln auf der Nachbarsalp Rischuna leuchten noch heller als die Augen der glücklichen Kinder


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